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3D-Scannen statt Zeichnen

Posted: November 28, 2011
TrigonArt
3D-Scannen statt Zeichnen

Berührungslose und objektschonende 3D-Vermessung (3D-Scan) von Kunst- und Kulturgütern als alternative Dokumentationsmethode und Grundlage für innovative Anwendungen in der Archäologie und Denkmalpflege

3D-Sicherungs- und Bestandsdokumentation archäologischer Grabungsfunde in der „Königsstadt Naga“

Als eine der ersten deutschsprachigen Grabungskampagnen vertraute das Team um Herrn Prof. Dr. Wildung und Frau Dr. Kröper auf die hochmodernen 3D-Scan-Verfahren als alternative Dokumentationsmethode in der Archäologie. Das Wisseschaftlerteam betraute den Berliner Spezialdienstleister TrigonArt mit dem berührungslosen 3D-Scannen und der wissenschaftlichen 2D-/3D-Dokumentation von Grabungsfunden sowie der virtuellen Rekonstruktion zerstörter Fundobjekte für die Grabung in der Königsstadt Naga. Auf Grundlage der gewonnenen 3D-Daten wurden im Anschluss an die Vermessungsarbeiten physische Modelle gefertigt und Teile der Forschungsergebnisse in Form von Animationen visualisiert.

Das UNESCO Weltkulturerbe Königsstadt Naga

Fünfzehn Jahre hat das Team des Ägyptischen Museum Berlin in der Wüste des Sudan gegraben und restauriert. In den Tempelruinen von Naga, einer 2000 Jahre alten Königsstadt des Reiches von Meroë, sind zahlreiche teils monumentale Königs- und Götterstatuen, Löwenskulpturen, Reliefs und Inschriften ausgegraben worden. Die im Sudan gefundenen archäologischen Objekte erweitern den Begriff der Antike über Ägypten hinaus in die Kulturen Afrikas. Neben völlig neuen Einsichten in die Geschichte und Kunst des Altertums, leistet die Grabung einen Beitrag zur kulturellen und historischen Identität des Sudan und wird damit zu einem Faktor des Dialogs mit Afrika und der arabischen Welt. Neben zahlreichen atemberaubenden Einzelfunden und Relieffragmenten, wurden auch ganze Tempelanlagen, wie die Hathorkapelle und der Amuntempel, freigelegt und für die Nachwelt restauratorisch gesichert.

Berührungslose 3D-Vermessung von kleinsten Grabungsfunden, Reliefs, Säulen und Tempelgebäuden mittels eines 3D-Streifenlichtscanners

3D-Scan-Verfahren:

Bei dem in Naga eingesetzten 3D-Lichtschnittscanner mit codiertem Lichtansatz handelt es sich um ein System, mit dem Tiefenauflösungen und Messgenauigkeiten um die 0,1 mm erreicht werden können. Um diese Genauigkeiten zu erreichen, greifen verschiedene Messprinzipien und Algorithmen, wie das Triangulationsverfahren, das Lichtschnittverfahren, der codierte Lichtansatz sowie das Phasenshiftverfahren ineinander. Während der Vermessungsarbeiten werden verschiedene Streifenmuster in bestimmten Intervallen auf das zu vermessende Objekt projiziert. Durch rechnerische Kombination der Streifenmuster-Sequenzen wird die Geometrie des Objektes präzise erfasst, berechnet und als Messpunktwolke abgespeichert. Die Auflösung des 3D-Scanners wird durch die Kameraauflösung bestimmt. Bei jeder möglichen Messfeldgröße liegt die Messpunktanzahl bei dem von der TrigonArt eingesetzten 3D-Scan-System immer bei 1600 x 1200, also bei 1,92 Mio. Messpunkten pro 3D-Scan. Die maximal und praktisch getesteten Messfeldgrößen liegen bei 1,5 m x 1,5 m, so dass auch große Objekte, wie die Hathorkapelle in Naga, detailliert und mit sehr hohen Auflösungen 3D-dokumentiert werden können.

Anzahl, Größe und Art der archäologischen Objekte:
Das Ziel der 3D-Messeinsätze in der Königstadt Naga war die systematische 3D-Vermessung aller archäologischen Grabungsfunde, die während der letzten Jahre von den beteiligten Wissenschaftlern im Sudan freigelegt wurden. Darunter befanden sich rund 140 Kleinfunde, wie Miniaturen, Täfelchen oder Schmuckstücke, die auf dem gesamten Grabungsgelände gefunden wurden. Im Bereich des Amuntempels wurden im Laufe der letzten Jahre rund 120 Architekturbauteile und verzierte Blöcke von Wänden, Reliefs und Inschriften sowie 6 Säulen dreidimensional erfasst. Am Tempel 200 wurden ca. 1.600 einzelne Sandsteinblöcke und Überreste der ehemaligen Tempelwände gescannt. Der Höhepunkt der 3D-Scanarbeiten war aber die vollständige dreidimensionale Vermessung der Harthorkapelle inklusive aller sich im Versturz befindlichen Fragmente für die anschließende virtuelle Rekonstruktion, auf Basis derer die Planungen der Sicherungsmaßnahmen des vom Verfall bedrohten Gebäudes erfolgte.


Objektive Dokumentation der Grabungsfunde in Form von texturierten 3D-Modellen und verzerrungsfreien 2D-Messbildern

Verfahren zur Erstellung von verzerrungsfreien Messbildern aus texturierten 3D-Modellen:
Eine homogene Punktwolke entsteht bei einem 3D-Scan von Objekten oder Oberflächen mittels eines der verschiedenen 3D-Scan-Verfahren und bezeichnet die Gesamtmenge aller gemessenen Einzelpunkte. Jeder dieser Einzelpunkte ist mit seiner xyz-Koordinate im Raum erfasst und wird im universellen ASCII-Format gespeichert. Die Anzahl der erfassten Einzelpunkte hängt dabei sehr von der Objektgröße und der gewünschten Messgenauigkeit ab. Die erfassten Punktwolken sind Voraussetzung für die Erstellung komplexer 3D-Modelle und dienen in erster Linie dazu, die gescannten Objekt am Computer zu visualisieren. Erst durch eine gezielte Oberflächenrekonstruktion der Punktwolke, auch meshing genannt, kann im nächsten Verarbeitungsschritt eine geschlossene Modelloberfläche aus Polygonen (Dreiecken) erstellt werden und das 3D-Modell entstehen. Die typische, aus Dreiecken bestehende, Polygonnetzoberfläche stellt dabei sicher, dass kleinste Details geometrisch und maßlich korrekt dargestellt werden, so dass das 3D-Modell als wirkliche virtuelle Kopie des Original anzusehen ist. Abschließend kann die Modelloberfläche synthetisch oder fotorealistisch texturiert werden. Für wissenschaftliche Betrachtungen der Oberflächenstruktur bieten sich objektive Grauwerte an. Für eine denkmalpflegerische Maßnahmenkartierung oder zur Planung restauratorischer Eingriffe benötigt man jedoch eine realitätsgetreue Oberflächenoptik, bei der die 3D-Modelle mit hochaufgelösten Digitalfotos texturiert werden.
Die maßstabsgetreuen und unverzerrten 2D-Messbilder werden abschließend aus den erstellten 3D-Modellen gerendert. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, jede beliebige Ansicht auf das erfasste Objekt ausgeben zu lassen und man ist nicht nur auf die exakten orthogonalen Ansichten angewiesen, wie sie üblicherweise bei wissenschaftlichen Dokumentationen, wie Fundbüchern oder Inventarlisten benötigt werden. Orthobilder geben den Wissenschaftlern die Möglichkeit, exakte Messungen oder wissenschaftliche Auswertungen in ihnen vorzunehmen. Weiterhin können sie Schäden kartieren, zerstörte Objekte aus Einzelfragmenten zusammensetzen oder Fehlstücke einpassen. Fototexturierte Messbilder geben ihnen zusätzlich die Möglichhkeit, vorhandene Farbwerte zu bestimmen.

Umfang der digitalen Fundbücher und der 3D-Grabungsdokumentation:
Für die Grabungskampagne in der Königstadt Naga wurden über die Jahre mehr als 2.000 einzelne 3D-Modelle erstellt. Bei einem Großteil der Objekte wurde nur eine synthetische Grauwerttextur aufgebracht und aus Zeit- und Kostengründen auf eine fotorealistische Texturierung verzichtet. Für eine wissenschaftliche Dokumentation und Auswertung reichte dies, gerade bei Architekturbauteilen und sandsteinfarbenen Fragmenten, völlig aus. Bei Grabungsfunden mit patinierten oder mehrfarbigen Oberflächen wurden jedoch fotorealistische Texturen auf die 3D-Modelle gemappt. Zu Archivierungszwecken wurden im Anschluss aus jedem der rund 2.000 3D-Modelle bis zu 6 Messbilder, meist die orthogonalen Ansichten, gerendert und in Form eines Fundbuches ausgegeben. Die verzerrungsfreien und maßstabsgetreuen Messbilder wurden fachmännisch beschriftet und durch zusätzliche Informationen, wie Fundort, Zeitpunkt, Größe, Masse und Volumen ergänzt. Die Ergebnisse sollen abschließend in eine wissenschaftliche Datenbank des Ägyptischen Museums eingespielt werden und stehen den Wissenschaftlern in den nächsten Jahren jederzeit für weitere Forschungsarbeiten zur Verfügung.


Softwaregestützte Auswertung und wissenschaftliche Analysen der 3D-Daten

Im Gegensatz zu einer handschriftlichen analogen Dokumentation von Grabungsfunden ergeben sich für die erfassten 3D-Daten in der Folge eine Vielzahl von innovativen, hochpräzisen und softwaregestützten Auswertungs- und Analysemöglichkeiten, wie z.B. die Erstellung von horizontalen und vertikalen Schnitten durch die Objekte, die Sichtbarmachung feinster Strukturen durch eine variable Ausleuchtung, die Darstellung von Höhenreliefs in Form von Falschfarbbildern, die Abwicklung von Objekten auf eine Ebene, sowie Masse- und Volumenberechnungen.
Bei der Funddokumentation von erhaltenen Vasen und Schalen wurden im Projekt Naga vorallem horizontale und vertikale Schnitte für die Bestimmung von Wandstärken erstellt. Mit Hilfe von computergestützten Ausleuchtungen konnten feinste Ritzungen und verwitterte Graffities, die mit bloßem Auge kaum sichtbar gewesen waren, deutlich visualisiert werden. Auch die Darstellung von farblichen Höhenreliefs in Kombination mit einer wertmäßigen Ausgabe, erleichterte den Wissenschaftlern das Erkennen und das Dokumentieren feinster Strukturen auf verwitterten Oberflächen, wie z.B. am Amuntempel. Ebensfalls wurden am Amuntempel mehrere Säulen auf die Ebene abgewickelt, so dass man die reichhaltigen Verzierungen und Inschriften auf einen Blick sehen und auswerten konnte. Die gleiche Technik wurde auch für die zahlreichen rechteckigen Portale des Tempels angewendet.


Virtuelle Rekonstruktionen zerstörter oder beschädigter Grabungsfunde

Ein Teil der 3D-Daten wurde den Archäologen schon vor Ort im Sudan zur Verfügung gestellt, um sie direkt bei Ihrer Forschungsarbeit zu unterstützen. Die Messergebnisse ermöglichten ihnen, zeitnah neue Einblicke und potenzielle Zusammenhänge in ihre Forschungsobjekte zu gwinnen und weiterführende Arbeiten, wie die digitale Rekonstruktion, vorzubereiten.
Zerstörte oder beschädigte Gefäße, Schalen, kleine Figuren und Statuen wurden aus freigelegten Scherben und Fragmenten virtuel wieder zusammengesetzt. Am Amuntempel konnten mehrere liegende und zum Teil schwer beschädigte oder zerstörte, tonnenschwere Säulen digital wieder aufgebaut werden. Aus rund 120 Fragmentsteinen wurden am Tempel 200 ganze Reliefswände digital rekonstruiert. In mehreren Arbeitsschritten wurden in einer Art Puzzle die Einzelblöcke wieder zusammengesetzt. Für die analogen Rekonstruktionsarbeiten durch die Wissenschaftler wurden umfangreiche Einzelblockkataloge angelegt. Dabei wurden sämtliche Steinansichten in Form von Orthobildern im Maßstab 1:5 auf Papier ausgegeben. Die Rekonstruktion fand zunächst von Hand statt. Die Ergebnisse wurden anschließend in den Computer übertragen und auf ihre Machbarkeit anhand von Überschneidungen und Schnittkanten geprüft und abschließend als Gesamtmodell ausgegeben.
In Vorbereitung für die Sicherungs- und Restaurierungsarbeiten an der Hathorkapelle war es nötig, das noch bestehende, aber vom Einsturz bedrohte Gebäude und die freigelegten Bauteile hochpräzise zu vermessen. Nach dem vollständigen 3D-Scan aller Bauteile und der Erstellung eines 3D-Modells durch die TrigonArt wurden zunächst entsprechende Mess- und Orthobilder aller Innen- und Außenansichten und einzelner Bauteile, sowie Grundrisse den beteiligten Archäologen und Restauratoren zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe dieser maßstabsgetreuen Grafiken versuchten die Wissenschaftler anschließend, die umherliegenden Fragmente aus dem Versturz mit dem Gebäude auf dem Papier wieder zu verbinden. Nach Abschluss der wissenschaftlichen Auswertung wurden die Ergebnisse der Archäologen in Form einer virtuellen Rekonstruktion in einem 3D-Gesamtmodell der Hathorkapelle umgesetzt und ausgegeben.


Fertigung von Prototypen, hochwertigen Repliken und Stützkonstruktionen mittels der 3D-Druck-Technik und der CNC-Fräs-Technik

Im Anschluss an die virtuelle Rekonstruktion der Hathorkapelle und im Rahmen der Sicherungsmaßnahmen wurden aus den 3D-Daten zwei vom Verfall bedrohte Kapitelle physisch reproduziert. Auf Basis der 3D-Modelle wurden zunächst technische Prototypen aus Kunststoff mittels der CNC-Frästechnik erstellt. Diese Prototypen wurden anschließend mit Silikon abgeformt. Mit Hilfe der erstellten Gussformen wurden dann zwei originalgetreue Repliken der Kapitelle aus Sandstein gegossen, die abschließend in das Bauwerk eingebracht wurden und seit dem die tonnenschweren Architrave tragen.
Desweiteren wurde für die Ausstellung im Kunstforum der Berliner Volksbank ein physisches Modell der Hathorkapelle im Maßstab 1:10 mittels eines 3D-Druck-Verfahrens hergestellt. Das detailreiche Modell begeistert seit dem die Besucher der Ausstellung und zeigt anschaulich die meroitische Hathorkapelle aus der Königsstadt Naga in ihrer derzeitigen Form.
Weiterhin wurde ein ursprünglich im Sanktuar befindlichen Altar mit einem 3D-Scanner erfasst. Anschließend wurden die 3D-Daten in eine CNC-Fräse eingelesen, die ein physisches Modell in einem Modellbaukunststoff fräste. Dieser Prototyp diente den beteiligten Restauratoren als Vorlage für die Fertigung einer Kopie in Kunststein.


Informierende und visualisieruende Animationen und Interaktionsmöglichkeiten

Einmal erfasste 3D-Daten bieten sich zusätzlich als Grundlage für Animationen an und können Wissenschaftlern als Hilfsmittel für die Visualisierung von Forschungserbnisse dienen, wissenschaftliche Beweisführungen unterstützen oder Rekonstruktionsverläufe nachvollziehbar machen.
Für die Grabungskampagne Königsstadt Naga wurden eine Vielzahl von einfachen Fundanimationen und Interaktionsmodellen erstellt. Diese dienten hauptsächlich den Wissenschaftlern bei der Präsentation Ihrer Grabungskampagne oder bereichern fachwissenschaftliche Internetseiten und Datenbanken.
Im Falle der Hathorkapelle wurde jedoch eine sehr umfangreiche Animation erstellt, durch die Hr. Prof. Dr. Wildung persönlich führt. Die eigens für die Ausstellung „Königstadt Naga“ erstellte Animation verfolgte das Ziel, die wissenschaftlichen Arbeiten an der Hathorkapelle den Besuchern vorzustellen und zu visualisieren. Dafür wurden zunächst die einzelnen Schritte der Freilegung dargestellt. Im zweiten Abschnitt wurde die virtuelle Rekonstruktion visualisiert, bevor abschließend auf die Problematik der instabilen Kapitelle eingegangen wurde.

Die Animationen finden Sie unter: youtube, facebook and www der TrigonArt